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August 2007
~~META:date created = 2007-01-01~~ ~~META:date modified = 2007-01-01~~ = Zerstreuungskreise bei verschiedenen Filmformaten (2007) == Fragestellung: Kleinbild oder Mittelformat für Portraits? Meine Ausgangsfrage: wie verhält es sich mit der Schärfentiefe bei den verschiedenen Filmformaten? [{{ :blog:2007:z:kurve.jpg |Größe der Zerstreuungskreise, erste Schätzung des Kurvenverlaufs.}}] Ich untersuche also die Grösse des Zerstreuungskreises $Z$ in Abhängigkeit von der Formatdiagonalen $d$, der Brennweite $f$, der Blendenzahl $K$ und der fokussierten Entfernung $g$. Dazu etwas Linsenphysik: [{{ :blog:2007:z:linse.jpg |Übersicht: wichtige Größen bei Linsenabbildung.}}] Es gilt also die Linsengleichung (1): $$ \frac{1}{g} + \frac{1}{b} = \frac{1}{f}$$ Und für die Öffnung $D$ gilt (2): $$ K = \frac{f}{D} $$ $$ \Rightarrow D = \frac{f}{K} $$ gesucht ist $Z$: $$ d_b = b_Q - b $$ (s. Grafik) $$ \frac{d_b}{Z} = \frac{b_Q}{D} $$ (Strahlensatz) $$ Z = \frac{d_b D}{b_Q} = \frac{D(b_Q - b)}{b_Q} $$ Nach (1) gilt fuer $b_Q$: $$ b_Q = \frac{f g_Q}{g_Q - f} $$ (Analog für $b$.) Also $Z$ komplett: $$ Z = \frac{\frac{f}{K}( \frac{f g_Q}{g_Q - f} - \frac{f g}{g-f} )} {\frac{f g_Q}{g_Q - f}} $$ //Januar 2008// Bzw. einfacher: $$ Z = \frac{1}{K} \frac{\frac{f g_Q}{g_Q-f} - \frac{f g}{g-f} )} {\frac{g_Q}{g_Q - f}} $$ == Erste Eindrücke von Z Wir haben jetzt einen Ausdruck für $Z$ in Abhängigkeit von $g_Q$, jetzt $x$ genannt. Wir nehmen zum Plotten den Absolutwert, um nur positive Durchmesser zu erhalten. {{{ Z(f,g,K,x)= abs((f/K) * ((f*x/(x-f))-(f*g/(g-f))) / (f*x/(x-f))) }}} {{{ Z(f,g,K,x)= abs((1/K) * ((f*x/(x-f))-(f*g/(g-f))) / (x/(x-f))) }}} Lassen wir uns doch mal ein paar Kurven zeigen! Nehmen wir als Beispiel ein Normalobjektiv f=50 mm bei Blende K=1.4 und fokussierter Entfernung g=3000 mm: {{{ set samples 500 # WICHTIG! plot [450:9000] Z(50.,3000.,1.4,x) }}} {{ :blog:2007:z:plot01.png }} Die etwas eigentümliche Zu- und Abnahme der Zerstreuungskreis-Durchmesser ist hier zu erkennen. Gegenstände, die immer näher an der Linse liegen, werden immer schneller immer unschärfer. Entfernte Gegenstände werden auch unschärfer, die Unschärfe hat aber als Grenzwert (für $g_Q \rightarrow \infty$): $$ Z \rightarrow D \frac{f-b}{f} $$ Hier also 0.605 mm. Was passiert, wenn wir das Objektiv auf verschiedene Entfernungen fokussieren? Als Beispiele g=1000, 3000, 7000 mm: {{{ plot [450:9000] Z(50.,1000.,1.4,x), Z(50.,3000.,1.4,x), Z(50.,7000.,1.4,x) }}} {{ :blog:2007:z:plot02.png }} Man sieht, dass sich ausser dem Punkt der maximalen Schärfe, der natürlich bei der fokussierten Entfernung $g$ liegt, hauptsächlich der Fern-Zerstreuungskreis ändert, er wird grösser mit kleinerem $g$. Die Kurven für ferne Fokussierung laufen auch flacher, was eine grössere Schärfentiefe bedeutet! Ich zeige den Standardwert für scharfe Abbildung, $Z < d / 1500$. (Dahinter steckt die Regel, dass 1/1500 der Formatdiagonale die maximale Auflösung des Auges sein sollen.) Für Fokussierung auf 3000 mm: {{{ set yrange [0:0.04] d=40; plot Z(50.,3000.,1.4,x), d/1500. }}} {{ :blog:2007:z:plot03.png }} Für Fokussierung auf 7000 mm: {{{ d=40; plot Z(50.,7000.,1.4,x), d/1500. }}} {{ :blog:2007:z:plot04.png }} Jetzt könnten noch verschiedene Brennweiten interessieren: {{{ reset y plot Z(24.,3000.,2.8,x), Z(50.,3000.,2.8,x), Z(105.,3000.,2.8,x) }}} {{ :blog:2007:z:plot05.png }} Sowie verschiedene Blenden: {{{ plot Z(50.,3000.,1.4,x), Z(50.,3000.,4.,x), Z(50.,3000.,11.,x) }}} {{ :blog:2007:z:plot06.png }} == Kleinbild, Mittelformat... Jetzt zu den verschiedenen Filmformaten. Um die Objektive zu vergleichen, müssen wir ihre Bildwinkel kennen. Ich betrachte die Formatdiagonale von 6x6, $d=\sqrt{56^2+56^2}=79.2$, sowie Kleinbild, nutzbares Bild 24x32, $d=\sqrt{24^2+32^2}=40$. (Kleinbild auf Seitenverhältnis 4:3 beschnitten.) Der Bildwinkel $\alpha$ lässt sich so berechnen: {{ :blog:2007:z:winkel.jpg }} $$ \alpha = 2 arctan \frac{d}{2f} $$ Kleine Tabelle für Kleinbild- und 6x6-Objektive: {{{ a(f,d)=2*(atan(d/(2.*f))/2/pi*360) }}} ^ $f$ ^ $\alpha$ (KB) ^ $f$ ^ $\alpha$ (6x6) ^ | 17 | 99.27° | | | | 20 | 90.00° | 40 | 89.42° | | 24 | 79.61° | 50 | 76.76° | | 28 | 71.08° | | | | | | 60 | 66.85° | | 35 | 59.49° | | | | | | 80 | 52.67° | | 50 | 43.60° | 100 | 43.21° | | 60 | 36.87° | 120 | 36.53° | | | | 135 | 32.70° | | | | 150 | 29.58° | | 85 | 26.48° | 180 | 24.81° | | 105 | 21.57° | | | | | | 250 | 18.00° | | 135 | 16.85° | | | | 150 | 15.19° | | | | 180 | 12.68° | 350 | 12.91° | Ich definiere jetzt ein $Z_{rel}$ als $Z_{rel} = Z/d$, damit können wir Zerstreuungskreis-Durchmesser auf Endprints der gleichen Grösse vergleichen. {{{ Zrel(f,g,K,x,d)=Z(f,g,K,x)/d plot [450:9000] Zrel(85.,3000.,4.,x,40.), Zrel(180.,3000.,4.,x,79.2) }}} {{ :blog:2007:z:plot07.png }} Zwei Objektive gleichen Bildwinkels (85 mm und 180 mm) auf dem jeweiligen Format. Das 180er zeichnet mehr als relativ doppelt so grosse Zerstreuungskreise, bei $g_Q =$ 450 mm z.B. 8.8 % vs. 20.6 % der Formatdiagonalen! {{ :blog:2007:z:plot08.png }} Wir brauchen Blende 1.7 beim 85er, um die gleiche Unschärfe im Print zu erhalten, wie beim 180er auf Blende 4 - oder ein 135er bei Blende 4: {{ :blog:2007:z:plot14.png }} Die relative Grenze für Schärfe als $1/1500*d$, ergibt sich dies: {{ :blog:2007:z:plot12.png }} Wenn man beide Formate um den gleichen Faktor vergrössert (d.h. 6x6 liefert grössere Prints), muss die Grenze absolut gleich sein, die Schärfentiefe bei 6x6 ist also noch viel geringer: {{ :blog:2007:z:plot13.png }} == Allgemeines über Z Ich wandle mal die Gleichung um: $$ Z(x) = \frac{1}{K} \cdot \frac{f \frac{f x}{x-f} - \frac{f g}{g-f}} {\frac{f x}{x-f}} $$ $$ = \frac{1}{K x} (\frac{f x}{x-f}-\frac{f g}{g-f}) (x-f) $$ $$ = \frac{1}{K x} \cdot \frac{-g f^4 - (x^2+g x+g x^2)f^2 + xf^3 + gx^2f}{-f^2 - (x+g)f + gx} $$ $\Rightarrow Z$ proportional zu $f^2$, $Z$ proportional zu $1/K$, $$ (Z_{rel}=\frac{Z}{d}) $$ $\Rightarrow Z_{rel}$ proportional zu $\frac{1}{d}$. == Welches Portraittele hat die grösste Zerstreuung? Aufgabe ist die Abbildung eines Schulterportraits, Diagonale $h$ des Objektfelds ist 600 mm. {{ :blog:2007:z:portrait.jpg }} $$ \alpha = 2 arctan \frac{h}{g} $$ $$ g = \frac{h}{tan \frac{\alpha}{2}} $$ ^ $g$/mm ^ $\alpha$/° ^ $f$/mm ^ $\Rightarrow Z_\infty$, $K$=2.8 ^ $K \rightarrow Z$ ^ | 1500 | 43.60 | 50 | 0.616 | @1.4: 1.232 | | 2550 | 26.48 | 85 | 1.047 | | | 3150 | 21.57 | 105 | 1.293 | @2.5: 1.448 | | 4051 | 16.85 | 135 | 1.661 | | | 4500 | 15.19 | 150 | 1.847 | | | 6000 | 11.42 | 200 | 2.463 | @4.0: 1.724 | also bei $h = const$: $g$ proportional zu $f$, $Z$ proportional zu $f$ !! D.h. für das gleiche Schulterportrait liefert ein 105er ca. doppelte Zerstreuung eines 50ers (bei gleicher Blende): {{ :blog:2007:z:plot15.png }} Wenn man grössere Blenden bei kürzeren Brennweiten ausnutzt (50/1.4 etc.), ergibt sich immer noch ein Vorteil für die lange Brennweite, allerdings wirklich nur noch für extrem weit entfernte Hintergründe: {{ :blog:2007:z:plot16.png }} D.h. für Trennung naher Hintergründe vom Objekt ist hier ein Vorteil bei der kurzen Brennweite mit Offenblende! //Januar 2008// == Portraittele, Teil 2 Die Frage jetzt etwas präzisiert: Ich will auf ein Objektfeld von 600 mm Höhe scharf stellen, wie oben; also ein Schulterportrait. Schärfe liegt auf den Augen des Portraitierten. Jetzt möchte ich aber seinen Hinterkopf möglichst unscharf haben, d.h. eine möglichst dünne Schärfe-Ebene. Ich vergleiche deshalb verschiedene Objektive und Filmformate auf die Zersteuung 200 mm hinter der Schärfe-Ebene. wie oben: KB: ^ $g$/mm ^ $\alpha$/° ^ $f$/mm ^ $K$ ^ $Z$ ($g$+200 mm) ^ $Z_{rel}$ ($g$+200 mm)/% ^ | 1500 | 43.60 | 50 | 1.4 | 0.14489 | 0.3622 % | | 2550 | 26.48 | 85 | 2.0 | 0.10658 | 0.2665 % | | 3150 | 21.57 | 105 | 2.5 | 0.08646 | 0.2162 % | | 4051 | 16.85 | 135 | 2.8 | 0.07820 | 0.1955 % | | 5400 | 12.68 | 180 | 2.8 | 0.07917 | 0.1979 % | 66: ^ $g$/mm ^ $\alpha$/° ^ $f$/mm ^ $K$ ^ $Z$ ($g$+200 mm) ^ $Z_{rel}$ ($g$+200 mm)/% ^ | 1212 | 52.67 | 80 | 2.8 | 0.28600 | 0.3611 % | | 1818 | 36.53 | 120 | 4.0 | 0.21012 | 0.2653 % | | 2273 | 29.58 | 150 | 4.0 | 0.21428 | 0.2706 % | | 2728 | 24.81 | 180 | 4.0 | 0.21714 | 0.2742 % | == Z(∞), das Bokehmaß Jetzt noch schnell $Z_\infty$, d.h. $Z$ für $g_Q \rightarrow \infty$: $$ Z_\infty = \frac{f}{K} \cdot \frac{f-\frac{fg}{g-f}}{f} $$ $$ = -\frac{1}{K} \cdot \frac{f^2}{g-f} $$ Diese Zahl gibt den Durchmesser eines Zerstreuungskreises eines weit entfernten Lichtpunkts hinter dem Objekt an, also z.B. Lichtkreise im Blätterdach, die klassischen Bokehbeipiele.